Es ist nun bereits fast ein halbes Jahr her, dass der Entwurf des sogenannten “Messertrage-Verbotsgesetztes” (MT-VG) an die Medien geleakt wurde – einen aktuelleren Stand als die Entwurfsfassung vom 11.04.2024 hat die Öffentlichkeit bisher noch nicht zu Gesicht bekommen.
Wieso scheint es aber überhaupt eines solchen, reichlich spezialisierten Gesetzes für den Umgang mit Alltagsgegenständen (in der Öffentlichkeit) zu bedürfen?
Die rechtliche Ist-Situation
Um eine diesbezügliche Einordnung zu ermöglichen, seien vorab ein paar wesentliche Begriffe definiert und die aktuelle Rechtssituation skizziert:
Nicht jeder weiß, dass die überwiegende Mehrheit aller handelsüblichen Messer kein Gegenstand des Waffengesetzes ist. Lediglich Hieb- und Stichwaffen wie Schwerter, Dolche, aber auch die Kategorie der sich automatisch öffnenden Messer und die eher unpraktisch zu bedienenden Butterflys erfüllen gemäß herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung den technischen Waffenbegriff des §1 WaffG. Selbstverständlich können aber beliebige Gegenstände – so auch Messer jedweder Art – missbraucht und zur Waffe gemacht werden. Juristen sprechen hier vom funktionalen Waffenbegriff, der in der Hauptsache eine straferhöhende Wirkung entfaltet.
Eleganter Weise definiert die sogenannte Waffenverbotszone nach §36b Sicherheitspolizeigesetz (SPG) sämtliche in ihr abgenommenen “gefährlichen Gegenstände” ebenfalls – und vermutlich meist ohne Zutun von Gerichten – salopp zu Waffen um. Das Schweizermesser am Reumannplatz ist jetzt also automatisch eine Waffe – am Donaukanal vor dem Szenelokal Flex aber nicht mehr, immerhin.
Das Problem Messerkriminalität
Leider ist nun in der letzten Zeit offenbar eine Häufung von Delikten bis hin zu terroristischen Angriffen unter Missbrauch von Gebrauchswerkzeug-Messern zu verzeichnen – hier ein paar exemplarische Fälle:
Am 23. Februar ersticht ein afghanischer Asylwerber im 20. Wiener Gemeindebezirk mit einem kurz vor der Tat in einem Supermarkt neu erworbenen, billigen Küchenmesser drei Prostituierte. Gleich mehrere Messerattacken von hauptsächlich Jugendlichen am und um den Reumannplatz führen zur Errichtung der Waffenverbotszone Innerfavoriten per 30. März.
Trauriger Höhepunkt der rezenten, internationalen Kriminalfälle ist ein islamistisch-terroristischer Anschlag eines bereits abgelehnten Asylwerbers in der deutschen Klingenhauptstadt Solingen, dem gleich drei Menschen zum Opfer fielen.
Aktuelle politische Lösungsansätze
Was liegt also näher, als da wie dort mit pauschalen Messer(trage)verboten ein für alle Mal für Ruhe sorgen zu wollen?
Nun, Mord und Totschlag sind bei unseren deutschen Nachbarn natürlich bereits ebenso verboten wie bei uns in Österreich. Darüber hinaus waren die Messer, die in Solingen und Mannheim als Waffen missbraucht wurden, dort jeweils ohnehin schon nicht legal zu tragen gewesen (beide hatten Klingenlängen jenseits von 12 cm, der – noch – aktuellen Grenze für ein legales Tragen in der deutschen Öffentlichkeit). Macht nichts, jetzt will die deutsche Bundesregierung eine Beschränkung der Klingenlänge auf 6 cm beschließen (Anm: ein normales Schweizermesser hat bereits eine Klingenlänge von 7 cm). Und die verpönten Springmesser sollen gänzlich zu verbotenen Gegenständen im gesamten Bundesgebiet werden.
Mit derlei Details hält sich unser heimisches Innenministerium erst gar nicht auf: Bei uns in Österreich geht es nach dem geleakten Entwurf und den Erläuterungen dazu um ein komplettes Trageverbot jedweder Messer. Hierzu ein kurzes Zitat aus den Erläuterungen zum MT-VG (Stand 11. April 2024):
“Zu den Messern im Sinne des Messertrage-Verbotsgesetzes zählen insbesondere Taschenmesser, Outdoormesser, Tafelmesser, Macheten, Sicheln, Stanleymesser, Leatherman, Tapeziermesser und Skalpelle. Gegenstände, die nicht unter diese Messerdefinition fallen, sind insbesondere ein Brieföffner, eine Axt, ein Küchenbeil, ein Ceranfeldschaber, eine Rasierklinge, eine Gartenschere, eine Baumsäge, ein Schraubenzieher, ein Eispickel sowie ein Geologenhammer.”
Fundierte Kritik
Wenn es nicht so traurig und leider teilweise tatsächlich todernst wäre, man käme auf den Gedanken einer aktionistischen Husch-Pfusch-Anlassgesetzgebung:
Einerseits kann sich der kriminelle Messerstecher mit dem Springmesser im Bauchtascherl jederzeit auf den – nicht einzuschränkenden! – Transport durch den öffentlichen Raum berufen, andererseits kann der Axtmörder in spe weiterhin unbehelligt “das Werkzeug seiner Wahl” am Gürtel herumtragen, nicht einmal ein Papiersackerl ist hier nötig. Was unterscheidet bitte einen Brieföffner von einem Dolch? Die fehlende Schärfe? Im Zweifel sind beide ähnlich letal.
Wahrscheinlich wird im nächsten Schritt ein “Schraubenziehertrage-Verbotsgesetz” nachgereicht, usw.
Keine Regel ohne Ausnahme: Für Jäger und Inhaber einer Waffenbesitzkarte (diese regelt u.a. den legalen Besitz von Faustfeuerwaffen) gilt der Gesetzesentwurf explizit nicht. Dieser Personenkreis ist schusswaffentechnisch geschult, (psychologisch) geprüft – und kann nur schwer pauschal des Messermissbrauchs verdächtigt werden.
Ob es nun im Sinne des Erfinders ist, dass man sich als friedlich-messertragender österreichischer, oder EU-Staatsbürger um die Erlangung einer Waffenbesitzkarte oder eines Jagdscheines kümmert, sei dahingestellt.
Ganz im Ernst: Ja, wir haben hierzulande eine im EU-Vergleich bislang eher liberale gesetzliche Regelung in Bezug auf Messer – das hat allerdings dem Umstand, dass Österreich im Frühjahr zum drittfriedlichsten Land des Planeten gekürt wurde (Global Peace Index 2024) und Wien die Führung im Ranking der lebenswertesten Städte der Welt quasi gepachtet hat, keinen Abbruch getan.
Man kann hier sogar noch weiter gehen und zeigen, dass die Strenge der Messergesetze mit der tatsächlichen Senkung der Messerkriminalität im europäischen Vergleich komplett unkorreliert erscheint: Beispielsweise seien hier Großbritannien (sehr strenge Gesetze – sehr hohe Messerkriminalität) und Tschechien bzw. die Slowakei (praktisch gar keine Einschränkungen – keine nennenswerte Kriminalität) aufgeführt.
Natürlich kann man trotzdem alles verbieten wollen, was man nicht unbedingt braucht – nur das Sicherheitsargument sollte man der Fairness halber tunlich stecken lassen: Es entbehrt jeglicher Glaubwürdigkeit. Inwiefern sich eine Mehrheit der Bevölkerung von der Sinnhaftigkeit willkürlich-pauschalkriminalisierender und mit guter Wahrscheinlichkeit wirkungsloser Doppelverbote (merke: Verbrechen sind bereits verboten) überzeugen lässt, darf ebenfalls infrage gestellt werden.
Was also tun?
Wenn der Schein nicht trügt und die dominierende Gruppe der neuen Messerkriminalität tatsächlich sogenannte Drittstaatsangehörige sind – und man tatsächlich die mutmaßlich wirkungslose Verbotskeule schwingen möchte – dann könnte man einfach den §11a WaffG (Allgemeines Waffenverbot von Drittstaatsangehörigen) um das Tragen sämtlicher “gefährlicher Gegenstände” (die Klammer rund um Messer, Eispickel, Geologenhammer und Co.) erweitern. Kurz, bündig, kostengünstig und medien(un)wirksam.
Kontrollieren sollte es halt jemand gehen.
Ansonsten ist Messerkriminalität ein höchstgradig sozialpolitisches Problem und gehörte mit aller Vehemenz auf genau dieser Ebene in Angriff genommen. Das ist aber natürlich eher ein Marathon, denn ein Sprint.
Wozu trägt man denn jetzt als normaler Mensch überhaupt ein (Taschen-)Messer in der Öffentlichkeit?
Na zum SCHNEIDEN – wozu denn sonst?
Sehr gut geschrieben! Dieses unnötige Gesetz ist ja noch nicht beschlossen, darum die Wahlen abwarten, vielleicht verschwindets wieder so schnell wies gekommen ist.
Hoffen wir’s! LG Sepp
Dem schließe ich mich gerne an!
Als Präsident des Vereines “Schmiedezentrum Ybbsitz” und Mitbegründer des “Ybbsitzer-Messermarktes” unterstütze ich die Initiative “Messerverbot-NEIN-DANKE” gerne. Das Messer ist Teil unserer Kultur, hat eine unglaublich große Bedeutung in unserem Alltag, prägt das Handwerk der Messermacher und Klingenschmiede mit all seinen Besonderheiten und ist ein immaterielles Kulturgut.
Super geschrieben und auch voll in meinem Sinne.